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Offener Brief an Daladier
(geschrieben am 3. Oktober 1938)

(In einer Rede am 12. Juli 1938, knapp elf Wochen also vor „München“, erklärte Frankreichs Ministerpräsident Daladier: „Die feierlichen Verpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei sind für Frankreich unabänderlich und heilig.“)

Auch Sie, Herr Ministerpräsident, haben das Ihre dazu beigetragen, der Welt den „ehrenvollen“ Frieden (wie Ihr hoher englischer Kollege ihn zu nennen wagte) zu erhalten. Sie haben damit einen „Sieg“ errungen und ohne Blutverlust ein kleines Volk erniedrigt, das allerdings kein Gegner, das nur Ihr wichtigster Verbündeter, Ihr Waffenkamerad in schwerster Zeit gewesen ist. Wie einem F e i n d e haben Sie dem Land diktiert und damit Ihren besten Freund, der Frankreich, Ihren Worten blind vertraute, durch ein abgefeimtes, niemals noch erlebtes Spiel verraten.
Jedoch – der w i r k l i c h e Besiegte in diesem jammervollen Friedenspakt sind Sie und ist Ihr Land. Denn S i e haben Ihr W o r t gebrochen und F r a n k r e i c h hat seine E h r e verloren.
Mit Abscheu wenden sich nun alle wahren Freunde von Ihrem Lande ab, und alle Feinde weisen mit Hohn auf Sie, der in die Geschichte eingehen wird als ein zweiter Ephialtes, der die tapfere und kleine Heldenschar, die Sparta gegen eine Übermacht zu schützen ausgezogen war, verraten hat.
Die Größe Frankreichs, gegründet im Bastillensturm, ward nun durch Ihre Unterschrift zum Spott der Welt und eine leere Phrase.
Vor zwanzig Jahren, im Herbst des Jahres 1918, tobte auf dem Boden Frankreichs der letzte Kampf; der Sieg war nahe, eine lange Leidenszeit zu Ende. Die Heere zogen heimwärts; darunter auch die Legionäre der Tschechen und Slowaken, mit Orden Ihrer Republik geschmückt, als teuerstes Vermächtnis für die Freundschaft und Verbundenheit mit Frankreich.
Ein Bündnis schien geschmiedet zwischen beiden Staaten, eidbeschworen und mit Blut besiegelt.
Geheiligt war der Name Ihres Volkes; aller Augen strahlten, wenn im Wind die Trikolore wehte, und Liebe, Hoffnung und Vertrauen schlug dem fernen, innerlich so nahen Land entgegen.
Zu Ende ist ein Traum, der Traum der Treue!
In letzter Not steht dieses Volk allein, verwundet und verraten. Der Feind, der auch I h r Gegner war, und ist, und sein wird, zieht in dies Land, nimmt die auf Frankreichs Rat gebauten und auch zu Frankreichs Schutz bestimmten festen Plätze, Kasernen und Geschütze (die sich schon morgen gegen I h r e Grenzen wenden können) ungeschleift und unzerstört (auch das ein Paragraph des Schandvertrages) in Besitz. Ein Teil des Landes fällt den Deutschen zu (möge den Bewohnern der Sudeten Hitlers „Freiheit“ wohl bekommen), ein anderer den Ungarn und den Polen, und wehrlos, unter dem Diktat der Paktgenossen, verliert das Land die alten, von der Natur zum Schutze vorbestimmten Grenzen.
Ein neuer Staat wird sein ,in neuen Räumen. Denn dieses Volk ist stark, nach innen groß, und wird sich wieder neu erheben, geläutert und an keinen Glauben, keine Hoffnung mehr gebunden.
Doch wehe Ihnen, wehe Ihrem Volke!
Der Tag wird kommen, da auch Frankreich a l l e i n dem Ansturm seiner Gegner ausgeliefert ist, da sich von Deutschland, von Italien, von Spanien der Krieg wie eine Nemesis ins Land ergießt und da der Festungswall im Osten, heute wissentlich geopsfert, letzte Rettung wäre. Dann wird das Herz Europas stumm sein und dasselbe Frankreich, das in diesen Tagen seinen „Retter“ jubelnd feiert, wird erkennen, wie furchtbar Sie mit seiner Zukunft hasardierten, wie grauenhaft sich e i n e Stunde blinder Schwäche rächt. Dann werden endlich Frankreichs Völker (zu spät vielleicht) erwachen, sich erheben und – was sie nun durch I h r e Schuld versäumten – auf Tod und Leben kämpfen, in der Freiheit Namen!

(Aus „Emigrant für Deutschland“, 1977)

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