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Emigrant   f ü r  Deutschland
Appell an die Welt
Offener Brief an Roosevelt
Offener Brief an Chamerberlain
Offener Brief an Daladier
Vertriebene Vertreiber
Politische Arteriosklerose
Soldaten unter Mordbefehl

 
„PEACE IN OUR TIME“
(Appell an die Welt, Oktober 1938)

Die Zeit verging. Das Schicksalsjahr 1938 war angebrochen.
Mit ausländischer Duldung, die oft einer Unterstützung gleichkam, hatte Hitler jede Opposition im eigenen Land hinter Gefängnismauern, in KZ-Lagern und auf Schafotten zum Schweigen zu bringen vermocht. Die Zeit schien daher gekommen, den Vorhang über des Führers weltweite Expansionspläne, vor denen die Emigranten so lange, so oft und so vergeblich gewarnt hatten, vorsichtig zu lüften und den Widerstandswillen der Westmächte auf die Probe zu stellen.
Österreich wurde besetzt und ging mit einem bisher nie erlebten Jubel in Großdeutschland auf – und später mit ihm unter.
Danach meldete der Führer seine angeblich letzte territoriale Forderung in Europa an: das Sudetengebiet.
Was die Großmächte nie gewagt, nie gewollt hatten, ein kleiner Staat tat es. Die Tschechoslowakei mobilisiert. Zu Zehntausenden meldeten sich Freiwillige. Auch ich stellte mich zur Verfügung. Ein Krieg schien unvermeidbar.
Doch das Frühjahr verging, ohne dass es zu kriegerischen Ereignissen gekommen wäre.
Im Sommer 1938 ließ ich durch den Schriftsteller Karel Capek dem tschechoslowakischen Kriegsministerium ein Memorandum unterbreiten, in dem ich die sofortige Schaffung einer „Propaganda-Zentrale in Deutscher Sprache“ anregte. Sie sollte sich vor allem, unter der Mitarbeit deutscher und österreichischer Emigranten, im Kriegsfall an die deutsche Zivilbevölkerung, an die deutschen Frontsoldaten und auch an deutsche Kriegsgefangene wenden.
Anfang September erhielt ich daraufhin vom Verteidigungsministerium den Befehl, mich nach dem ersten Bombenabwurf bei Major Brož zu melden, um unter seiner Weisung die Leitung des deutschsprachigen Rundfunks zu übernehmen. Ein Himmelfahrtskommando, so schien es, aber immerhin eine Aufgabe, die den Einsatz wert gewesen wäre.
Die Kriegswolken zogen sich täglich drohender zusammen. In fieberhafter Spannung und mit einem Berg von Notizen bereitete ich mich auf meine kommende Aufgabe vor. In Prag wurden bereits Verdunkelungsmaßnahmen durchgeführt, Fenster mit Blaupapier und Splitterstreifen verklebt. Eine Stadt erwartete Görings Luftwaffe. Zu allem entschlossen rüsteten sich die Tschechen zum Widerstand gegen den deutschen Riesen, - in unerschütterlichem Vertrauen auf die fernen Verbündeten und Freunde. Doch statt der erwarteten Hilfe kam die von Paris und London durch Erpressung aufgezwungene Kapitulation, kam das Diktat von „München“.
Noch heute erinnere ich mich dieser Tage, als seien sie gestern gewesen.
Wir, Friedel und ich, hatten in einem Lichtspielhaus am Graben Greta Garbo als Gräfin Walewska bewundert; wir verließen das Theater, noch ganz im Bann ihrer großen Kunst; draußen fiel mein Blick auf die Balkenlettern der Abendausgaben: Chamberlain fliegt zu Hitler!
Ich erschrak zutiefst vor einem nur geahnten Schicksal, das nun jeden von uns bedrohen würde. Mit der Unterschrift Chamberlains und Daladiers verrieten England und Frankreich ihren verlässlichen Verbündeten im Osten. Schweigend lauschten Tausende am nächsten Abend auf dem breiten Wenzelsplatz den Worten des Präsidenten, der seinem Volk mit gepresster Stimme mitteilte, dass die Lage der Nation hoffnungslos geworden sei. „Nun stehen wir ganz allein“, hallte es über den weiten Platz.
Stumm stand die Menge, mit ernsten Mienen, geballten Fäusten, und viele hatten Tränen in den Augen.
Durch die Welt aber ging ein Aufatmen, weil ein alter eingebildeter Mann, dessen Partei es jahrelang versäumt hatte, Hitlers Drohungen ernst zu nehmen, ein weißes Papier, das die Unterschrift eines Gewohnheitslügners trug, durch die Luft schwenkte und vom "Frieden in unserer Zeit“ phantasierte.
Zwei, drei Tage war ich wie gelähmt.
Dann aber, wie im Fieber, schrieb ich mir meine Empörung über den so genannten „Friedenspakt“ und meine Sorge um den gerade dadurch u n v e r m e i d l i c h gewordenen Krieg von der Seele, mit drei Offenen Briefen – an Roosevelt, Chamberlain und Daladier, die ich dreisprachig unter dem Titel „Appell an die Welt“ zu veröffentlichen und ans Ausland zu versenden beabsichtigte:
Und obwohl die Aktion (ich zitiere den New Yorker AUFBAU) „in Zentraleuropa beträchtliches Aufsehen erregte“, war es unmöglich, gegen die weltweit herrschende Friedenseuphorie jener Monate erfolgreich anzukämpfen. Wirkungslos verhallten die prophetisch anmutenden Warnungen,
· dass „München“, das den Frieden zu sichern vorgegeben hatte, den befürchteten Krieg unvermeidbar machen sollte!;
· dass „München“, dem zuliebe Frankreich sein Wort, die beschworene Beistandspflicht, zu brechen bereit gewesen war, es ins Verderben stürzen müsse!;
· dass „München“, durch das in Prag der Hass gegen a l l e Deutschen gesät wurde, zu deren Vertreibung führen könne!;
· dass „München“ die Freiheitsbestrebungen anderer, t a t s ä c h l i c h unterdrückter Völker verstärken und zuletzt die Auflösung des britischen Imperiums, den Verlust Indiens (1947), Palästinas (1948), Ägyptens (1953) und Südafrikas (1961) zur Folge haben würde! – Und genau so kam es dann.
Ehe jedoch mein „Appell!“ der Öffentlichkeit übergeben, meine warnende Stimme gehört werden konnte, mussten auf Befehl einer verängstigten Zensurbehörde die im nachfolgenden durch Unterstreichung gekennzeichneten Worte und Sätze ausgelassen werden; so schwer lastete die bereits zum Vernichtungsschlag erhobene Faust Hitlers auf der von seinen Freunden verratenen Resttschechoslowakei!

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