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Emigrant   f ü r  Deutschland
Appell an die Welt
Offener Brief an Roosevelt
Offener Brief an Chamerberlain
Offener Brief an Daladier
Vertriebene Vertreiber
Politische Arteriosklerose
Soldaten unter Mordbefehl

 
Offener Brief an Chamberlain
(geschrieben am 2. Oktober 1938)

Sie haben, Sir, der Tschechoslowakei am 29. September 1938 in München einen Frieden aufdiktiert, der wohl für ewig seinesgleichen in der Geschichte suchen wird!
Sie lassen sich für diese Tat, die eine höhere Gerechtigkeit, das Urteil der Geschichte, einst „Untat“ nennen wird, von Ihrem Lande feiern, mit Ehren und mit Würden, und die Sonne königlicher Gnade leuchtet Ihren letzten Lebensjahren.
Doch täuschen Sie sich nicht! Dieselben Stimmen, die noch heute Ihren Namen preisen, werden Ihnen in nicht zu ferner Zukunft fluchen, wenn sichtbar wird, welch Gift dem Samen dieser „Friedenstat“ entspringt. Denn erst die kommenden Jahrzehnte werden zeigen, welche Folgen die „Befreiung“ einer Minderheit noch nach sich ziehen kann – auch für Ihr eigenes Land, in seinen Kolonien und Mandatsgebieten, in Ägypten, Indien, Palästina und Südafrika, wo Völker (und mit mehr Recht als die Deutschen dieses Landes) auf den Tag der vollen Freiheit warten. Denn niemals haben die Nationen hier in diesem Staat der Tschechen und Slowaken auch nur von Ferne etwas Ähnliches an Ungerechtigkeit erduldet wie die Ägypter, wie die Inder, wie die Buren in den mit Blut bespritzten Blättern der Geschichte Ihres Reiches.
Doch nicht Vergangenheiten aufzufrischen ist Absicht dieser Zeilen; die Gegenwart allein, die grauenvoll Ihr „edles“ Friedenswerk begleitet, soll an die Pforte Ihres Herzens pochen.
In wenigen Jahrzehnten, vielleicht auch schon in Jahren stehen Sie vor einem Thron, der höher ist als der des Königs Ihres Landes, und keine Orden, keine Titel werden dort verliehen, und ohne Täuschung leuchten dann die Taten Ihres Lebens in ihrem wahren Scheine. Dann werden, Sir, die Männer, Frauen, Kinder, die Sie mit e i n e m Federstrich geopfert und von Haus und Hof, von Arbeitsplatz und Heimat ausgetrieben haben, zeugen wider Sie, und ihre Not, ihr Leiden werden die Gegenschale Ihrer guten Werke schwer belasten, und bei dem jammervollen Anblick dieser Opfer, die die I h r e n sind!, wird das Gericht des Jüngsten Tages mit Ihnen rechten.
Um dieser Menschen willen, an die Sie kaum in jener schicksalsschweren Stunde dachten, versuchen diese Zeilen vor Ihr Auge und vielleicht auch in Ihr Herz zu dringen.
Sie haben, Sir, dem deutschen Führer nicht nur die Menschen s e i n e r Prägung und Gesinnung übergeben; Sie haben leider auch zur gleichen Zeit noch Hunderttausende, die anderen Fahnen folgten und die das Reich der Macht und der Gewalt nicht locken kann, in deren Hütten allerdings Ihr Friedensreisender, Lord Runciman, nie weilte, dem schlimmsten Schicksal preisgegeben. Denn diese Menschen werden, wenn sie bleiben und unter hitlerdeutscher Herrschaft weiterleben müssen, die Freiheit, Hab und Gut, ja oft das Leben selbst verlieren. Und wenn sie fliehen, bleibt ihnen nur der unbesetzte, von England „garantierte“ Teil der Tschechoslowakei, wo sie die Not der neugeschaffenen Lage nur vermehren und w i e d e r eine deutsche Minderheit im Staate und damit Vorwand für Gewalt und Annexionen bilden werden.
Dies kleine tapfere Volk hat aber nun, nach solchen Opfern, wohl das Recht, in Zukunft unter sich und ohne weitere Belastung an den Aufbau eines neuen Daseins gehen zu dürfen.
Zu diesem Zwecke aber müssten diese Emigranten eine neue Heimat finden, in der sie endlich jeder Habgier deutscher Politik entzogen sind. Es d a r f nicht sein, dass Menschen weiterhin zum Spielball internationaler Politik und internationaler Interessen werden. Es m u s s geholfen werden, Sir! Von I h n e n muss geholfen werden! S i e tragen die Verantwortung vor der Geschichte und vor Gott (an den zu glauben Taten wie die Ihren sehr erschweren) und sind – wenn Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit in Ihrem Mund nicht reine Phrasen sind - verpflichtet, noch dies Problem, dies e i n e wenigstens, zu lösen. Rechnen Sie sich aus, was dieser Krieg gekostet hätte, den Sie – so glauben Sie und viele Ahnungslose – verhindert haben. Von dieser ungeheueren Milliardensumme geben Sie den mittellosen, schwer bedrohten Emigranten aus den Sudetenländern d e n Betrag, der ihnen eine neue Zukunft sichert: den Deutschen demokratischer Gesinnung in Amerika, Australien, Kanada; den deutschen Juden unter Englands „Schutz“ in ihrer Glaubensheimat, Palästina!
Und sollten Sie in diesem Jahre noch den Friedensnobelpreis empfangen (vielleicht in Teilung mit den ehrenwerten Herren Mussolini-Hitler?!), dann lassen Sie dies Geld, das unter Ihren Nägeln brennen muss, denselben Zwecken dienen – zur Rettung Ihres bisher guten Namens und zur Rettung auch der Ehre Ihres großen Volkes.
Nur diese Tat, nur diese Selbstverständlichkeit kann Ihrem Leben, Sir, am Ende Ihrer Tage vielleicht noch einen sanften, reuelosen Abschluss geben!

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